Stigmatisierung & Tabu

Weiter unten ist zu lesen, warum die Arbeit gegen Diskriminierung und Tabuisierung auf Grund von AIDS und anderen tabuisierten Infektionskrankheiten für uns eine sehr große Bedeutung hat und haben muss.

Doch zunächst möchten wir ein paar Ratschläge als „Erste Hilfe“ an die Hand geben, wenn man selbst unter dem Tabu AIDS oder unter Diskriminierung wegen HIV und AIDS zu leiden hat:

    „Angst essen Seele auf“ heißt ein berühmter Film von Rainer Fassbinder. Lassen Sie nicht zu, dass Ängste auf Grund von HIV, AIDS, Syphilis etc. ihr Leben oder das Ihrer Angehörigen beeinträchtigen oder zerstören. Nutzen Sie unsere Beratung, persönlich oder anonym am Telefon bzw. per e-mail. Erkundigen Sie sich nach den Möglichkeiten des Kontaktes zu anderen Betroffenen. bzw. per e-mail. „Zumachen“ und „Runterschlucken“ kann krank machen und vollkommen isolieren. Es ist hier wie bei körperlichen Erkrankungen auch: Je später man etwas dagegen unternimmt, desto mehr Aufwand kostet es, aus der Lage wieder herauszukommen.

    Berichten Sie uns möglichst konkret von erlebten Diskriminierungen oder Tabuisierungen.
    POSITIV ZUSAMMEN LEBEN
    Positiv Zusammen Leben.
    Welt-Aids-Tag – Kampagne von BZgA, D.A.H. und D.A.S.
    Wir haben jahrelange Erfahrungen, Ihre Interessen in solchen Situationen zu schützen und zu vertreten. Nutzen Sie auch die konkreten Erfahrungen und Kompetenzen anderer Betroffener Menschen, gegen Diskriminierungen oder auch nur die Angst vor Diskriminierungen beherzt und klug vorzugehen. In Einzelfällen vermitteln wir fachliche Hilfen, Anwaltskanzleien und andere Unterstützung um durch Tabus und Diskriminierung keinen Schaden zu erleiden.
    Machen Sie Diskriminierung auf Grund von HIV und AIDS niemals zu Ihrer „Privatsache“. Morgen erlebt das Gleiche jemand anders und Sie beide denken: „Damit bin ich ganz allein!“ Und Menschen und Einrichtungen, unter deren Diskriminierung Sie leiden, erfahren keine solidarische Gegenmaßnahme. Vergessen Sie nicht: Gemeinsam ist man fast immer stärker. Suchen Sie sich Verstärkung und unternehmen Sie etwas!
    Auch wenn Sie nicht selbst betroffen sind: Seien Sie wachsam, empfindlich und solidarisch, was diskriminierendes Verhalten gegen betroffene oder mitbetroffene Menschen in Ihrem Alltag anbetrifft! Zeigen Sie Zivilcorage! Mischen Sie sich ein! Schildern Sie uns Vorfälle und Beobachtungen. Sie verbessern damit unsere Beratungsmöglichkeiten und die Möglichkeiten, gegen Missstände solcher Art direkt und notfalls öffentlich vorzugehen.

    Auch wenn Sie selbst unsicher sind, ob AIDS nicht wirklich ein Tabu sein sollte und ob nicht tatsächlich Menschen mit HIV und AIDS ausgeschlossen werden sollten, sind wir für Sie da. Bei uns gibt es keine Gesprächs-Tabus, Dinge auszusprechen, weil frau/man „das nicht sagen darf“. Es gibt nur eine Regel für beide Seiten in Gesprächen: Wir nehmen uns gegenseitig erst einmal ernst mit dem, was wir uns gegenseitig sagen möchten und wir hören ernsthaft zu, wenn die oder der andere darauf antworten möchte. Melden Sie sich ruhig, wenn Sie mit unseren Haltungen nicht klar kommen.(ml)

Arbeiten gegen das Tabu AIDS

Alleinstellungsmerkmal der AIDS-Hilfen im Allgemeinen und Herausforderung für die AIDS-Hilfe Offenbach im Besonderen

Es gibt in Deutschland ein Leiden, das viel weniger abgenommen hat als die körperlichen Leiden unter AIDS. Eines, das viel weniger erforscht wurde als die körperlichen Leiden an AIDS. Eines, gegen das Erkenntnissgewinn und Behandlungsfortschritt ganz erheblich geringer sind als die Behandlungsmöglichkeiten gegen das körperliche Leiden an AIDS:

Das ist das Leiden unter dem Tabu AIDS, unter dem Stigma AIDS, das Leiden unter dem, was AIDS in den Köpfen der Nichtbetroffenen auslöst.
Und das Leiden unter dem, was Betroffene an Ängsten, Stress und Depressionen erleben in der Annahme, meine Freundin, ein anderes Mitglied der Kirchengemeinde, mein Arzt, meine Chefin oder die Behörde könnten etwas über “mein HIV”, über “mein AIDS” herausfinden.

Noch immer sind Menschen ohne engere Erfahrung mit HIV und AIDS kaum bereit, ihre Vorbehalte, Phantasien, Vorurteile und daraus folgende Berührungsängste zu hinterfragen und zu ändern. Das gilt für fast alle gesellschaftlichen Bereiche, professionelle wir private, für Vereine wie für religiöse Gemeinschaften, für Stammtische wie für Menschen auf Partnersuche, für Menschen aus dem ländlichen Raum ebenso wie sogar auch für Angehörige aus den hauptbetroffenen Szenen. Diskriminierung, bewusst oder unbewusst, gewollt oder ungewollt, absichtlich oder unabsichtlich gehört ebenso zum Alltag der Menschen mit HIV und AIDS wie auch Ängste und Stress vor Entdeckung in nicht verlässlichen Situationen mitsamt allen Formen der Selbstdiskrimnierung in vorauseilender Vorsicht dazu gehören.

Wer das als nicht Betroffener Mensch nicht glaubt, möge es z.B. drei Tage lang testen:

Er/Sie möge sich selbst den Status “HIV-Positiv” oder an “AIDS erkrankt” aneignen und mit diesem Bewusstsein:
– gute Freunde darüber ins Vertrauen ziehen,
– dem Zahnarzt die schmerzliche Neuigkeit mitteilen
– dem Arbeitgeber über den Status der Schwerbehinderung informieren
– der Partnerin/dem Partner über das überraschende Ergebnis beim Hausarzt informieren
– in der gewohnten Apotheke die Medikamente einer HIV-Kombitherapie bestellen.
diese Medikamente über dem Waschbecken liegen haben, wenn Besuch geladen ist.
die eigenen Ängste und Belastungen im Vorfeld dieser Situationen wahrzunehmen

Das AIDS-Tabu steckt in uns allen viel tiefer, als es Infektions- und Erkrankungsgefahren noch vermuten ließen. Die Ungleichzeitigkeit der medizinischen Entwicklung im Bereich AIDS und die der Veränderung von psychosozialen Haltung, die AIDS auslöst, ist dramatisch. Das “soziale AIDS” bringt immer noch scharenweise auch den “sozialen Tod”. Diskriminierung und Isolierung sind hochaktuelle Alltagserfahrung für Menschen mit HIV und AIDS.

Und das Soziale AIDS hat Folgen:
Stress und psychosomatisch bedingte Krankheiten. Soziale Isolierung und Arbeitslosigkeit. Suicide und psychiatrische Erkrankungen. Lebensgefährliche Therapieabbrüche und Schulversagen der Kinder betroffener Mütter. Nicht zuletzt auch neue Infektionen, wegen der extremen Tabuisierung, die jegliches Gespräch unterdrückt und Verdrängungsverhalten fördert.

Hier besteht für uns das vielleicht schwierigste und wichtigste Feld der Hilfe als AIDS-Hilfe Offenbach e.V.. Denn hier besteht auch das, was in unserem Profil als Alleinstellungsmerkmal bezeichnet werden darf. Das heißt: Hier befinden wir uns in dem Bereich von AIDS-Hilfe, der uns unverwechselbar und unersetzbar in der Landschaft der Beratungs- und Betreuungseinrichtungen macht. (ml)

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