Selbsthilfe ist Ursprung und Corporate Identity von AIDS-Hilfe

In den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts – in den Zeiten der großen AIDS-Katastrophe und des massenhaften Sterbens – waren es Menschen aus den hauptbetroffenen Szenen der schwulen Männer und der Junkies, die eine einzigartige Welle der Selbsthilfe und Solidarität landauf, landab in dieser Republik durch die Gründung immer neuer AIDS-Hilfen schufen. Nicht zuletzt dieser großartigen Initiative sowie ihren Unterstützern aus allen gesellschaftlichen Bereichen ist es zu verdanken, dass Deutschland mitten in Europa heute die niedrigsten Raten an Neuinfektionen aufweist sowie über ein flächendeckendes Netz für Hilfe und Prävention für alle durch Sex und Drogenkonsum übertragbaren Erkrankungen verfügt.

Sicher hat in den meisten AIDS-Hilfen in wichtigen Bereichen der Angebote von Betreuung, Beratung, Tests oder Prävention eine Professionalisierung stattgefunden. Dennoch zeichnet sich auch in Offenbach unsere Einrichtung dadurch aus, dass jegliche Form der Selbsthilfe und des ehrenamtlichen Engagements weiterhin einen besonders umfassenden und eigenständigen Wert auszeichnet.

Die professionelle Arbeit muss sich in unserer AIDS-Hilfe stets auch um die Belange der Selbsthilfe und des ehrenamtlichen Engagements intensiv kümmern. Sie hat sich in vielen Situationen der kritischen Bewertung durch Engagierte aus Selbsthilfe und Ehrenamt zu stellen.
Hauptamtliche müssen lernen, Aktivisten aus Ehrenamt und Selbsthilfe gebührenden Platz und Anerkennung in den unterschiedlichsten Arbeitsbereichen einzuräumen. Aktive aus der Selbsthilfe und dem Ehrenamt müssen lernen, hauptamtliche Kompetenz einzuräumen und zu berücksichtigen sowie die Grenzen hauptamtlicher Möglichkeiten zu respektieren und Überforderungen zu vermeiden. Die tägliche Zusammenarbeit von Ehren- und Hauptamtlichkeit erlaubt eine besondere Effizienz und Nähe zu allen aktuellen Problemen. Sie erfordert allerdings gleichzeitig eine keineswegs selbstverständliche Bereitschaft von beiden Seiten, sich im Alltag dem Spannungsverhältnis von Ehrenamtlichen und in der Selbsthilfe Engagierten einerseits und Hauptamtlichen andererseits konstruktiv zu stellen.
Michael Lämmert

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